Das Handwerk hat die Entscheidung des Bundespräsidenten für Neuwahlen am 18. September begrüßt. Damit sind die Weichen dafür gestellt, dass eine neue Bundesregierung mit dem Auftrag des Wählers den Stillstand im Land beenden kann. Es gilt, die notwendigen Strukturreformen einzuleiten, um gerade den Mittelstand aus einer langjährigen Rezessionsphase herauszuführen und die Grundlagen für neues Wachstum und mehr Beschäftigung in Deutschland zu legen. Bessere Rahmenbedingungen braucht ganz besonders das arbeitsintensive Handwerk.
Die Wahlprüfsteine des Handwerks für die Bundestagswahl 2005 stehen unter der Überschrift "Vertrauen schaffen. Potenziale freisetzen." Vorrang hat in allen Politikfeldern die Frage, ob die Maßnahmen dazu taugen, Wachstum anzuschieben und so die Grundlage für mehr Chancen auf Arbeit zu schaffen. Von den Wahlprogrammen der Parteien erwartet das Handwerk eine über einzelne Reformschritte hinausgehende Zukunftsperspektive: "Bürger und Betriebe erwarten vor allem Verlässlichkeit. Das schafft Vertrauen als Grundlage für Investitionen in die Zukunft", so Otto Kentzler, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH).
Standorthemmnis Nummer 1 in Deutschland sind die hohen Kosten der Sozialen Sicherungssysteme und das komplizierte, gerade mittelständische Betriebe zu hoch belastende Steuersystem. Die bisherigen Reformversuche waren zumeist vordergründige Umverteilungen der Lasten zwischen Steuer- und Beitragszahlern, im Volksmund „aus der linken Tasche ziehen, in die rechte Tasche stecken“ genannt. Das Handwerk fordert hier ein Gesamtkonzept und hat dafür ein eigenes Modell erarbeitet und vorgelegt.
Die Staatsquote von heute rund 50 Prozent muss unter 40 Prozent zurückgeführt werden, um der öffentlichen Hand wieder Gestaltungsspielräume zu verschaffen, damit die Verschuldung zurückgeführt werden kann, damit Steuer- und Sozialsystem reformiert werden können. Dazu gehört ein schrittweiser Abbau der Subventionen.
Die Beiträge zu den Sozialversicherungen müssen dauerhaft auf deutlich unter 35 Prozent sinken, um die in Deutschland extrem hohen Kosten auf Arbeit signifikant zu verringern. Dazu bedarf es bei der Gesetzlichen Krankenversicherung u. a. Einschnitte auf der Leistungsseite und der Herausnahme versicherungsfremder Leistungen aus der Beitragsfinanzierung. Nach Reduzierung des Beitragssatzes kann auf eine Gesundheitsprämie umgestellt werden. Die Kosten der Lohnfortzahlung für Arbeitgeber müssen abgesenkt werden.
Das Pflegefallrisiko muss schrittweise vom Arbeitsverhältnis abgekoppelt und letztendlich vom Versicherten selbst getragen werden.
Ziel der Steuerreform muss ein einfaches und gerechtes System sein. Die Grenzbelastung für die Personenunternehmen muss in der Spitze derjenigen von Kapitalgesellschaften entsprechen. Eine Zwangsoption für Personenunternehmen zur Körperschaftssteuer wird abgelehnt, auch eine freiwillige Option ist für die meisten Handwerksbetriebe nicht praktikabel.
Die Erbschaftsteuer darf die Fortführung des Unternehmens im Erbfall nicht behindern. Das Handwerk wirbt für ein „Degressionsmodell“, d. h. für jedes Jahr der Fortführung wird ein Zehntel der Steuerschuld erlassen. bis sie nach zehn Jahren gänzlich entfällt.
Einer Mehrwertsteuererhöhung erteilt das Handwerk eine klare Absage. Allein die Diskussion darüber verunsichert Verbraucher und Betriebe. Eine höhere Mehrwertsteuer verteuert Handwerksleistungen, führt so direkt zu mehr Schwarzarbeit. Die zusätzlichen Einnahmen nehmen außerdem den Druck von den handelnden Politikern, schnell durchgreifende Strukturreformen anzupacken.
Steuerliche Maßnahmen zur Stärkung der Liquidität und Eigenkapitalquote sind überfällig, ergänzende kurzfristige Maßnahmen zur Belebung des Binnenmarktes unverzichtbar. Das Handwerk fordert daher in der Umsatzsteuer eine bundeseinheitliche, deutlich höhere Grenze für die Ist-Besteuerung. Ziel muss die Umstellung des Systems weg von der Soll-, hinzu einer Ist-Besteuerung sein. Die Betriebe warten auch schon lange auf die steuermindernde Eigenkapitalverzinsung nach dem Vorbild anderer europäischer Länder, die damit gute Erfahrungen machen.
Gerade für die notleidende Bau- und Ausbaubranche brauchen wir eine Neujustierung der Eigenheimzulage. Das Handwerk schlägt eine Förderung von Anschaffungs- und Herstellungskosten mit Nachweis vor, mit Schwerpunkt auf Erhaltung und Modernisierung des Altbaubestandes. Für mehr reguläre Beschäftigung im Bau- und Ausbaubereich wird ebenso auch die Ausweitung der steuerlichen Begünstigung haushaltsnaher Dienstleistungen auf Erhaltung und Modernisierung sorgen. Die Steuerersparnis wird die Vergabe solcher Arbeiten an Schwarzarbeiter stoppen und reguläre Beschäftigung stärken.
Nur ein flexibler Arbeitsmarkt kann Beschäftigung im Handwerk sichern und stärken. Dazu gehört eine Lockerung des bestehenden Kündigungsschutzes gerade für kleine und mittlere Unternehmen. Dazu gehört eine Reform des Teilzeit- und Befristungsgesetzes. Hier ist den schon bisher erfolgreichen freiwilligen betrieblichen Lösungen im Handwerk der Vorzug zu geben.
Der zweite Arbeitsmarkt belastet gerade das Handwerk. Geförderte Konkurrenz wie Ein-Euro-Jobs, ABM oder BIS müssen abgeschafft werden, die marktwidrige Ich-AG verzerrt den Wettbewerb und muss gestrichen werden. Das spart Milliarden, die zur Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung besser angelegt sind. Die Vermittlung der Bundesagentur muss sich auf den ersten Arbeitsmarkt konzentrieren.
Für einen fairen Wettbewerb braucht das Handwerk schnell ein neues Gesetz, das die Handwerksbetriebe vor den verheerenden Folgen der dramatisch gesunkenen Zahlungsmoral schützt. Wichtig ist auch ein mittelstandsgerechtes Vergabesystem, das die Vergabe in Fach- und Teillosen stützt. Auch die öfffentlich-privaten Partnerschaften („PPP“) müssen offen sein für die Teilnahme mittelständischer Handwerksunternehmen, sie dürfen nicht durch die Ausgestaltung in die Rolle von Subunternehmern abgedrängt werden.
Das Handwerk braucht Grundlagen, um seine Qualifizierungs- und Beschäftigungspotenziale erschließen zu können. Dazu gehört die Meisterqualifikation als Garant für einen hoch qualifizierten Unternehmer, der in der Lage ist, sein Wissen und Können auch weiterzugeben. Die Dequalifizierungsspirale nach unten, die mit der Handwerksnovelle eingeleitet wurde, muss umgedreht werden in eine Qualifizierungsspirale.
Bildung muss zum nationalen Zukunftsthema gemacht werden. Nur Betriebe mit exzellent ausgebildeten Unternehmern und Mitarbeitern können im Wettbewerb bestehen. Um die Ausbildungsfähigkeit Jugendlicher zu verbessern, will das Handwerk einen nationalen Bildungspakt schließen. Ziel muss es sein, die erschreckend hohe Zahl von 85.000 jungen Erwachsenen, die Jahr für Jahr die Schule ohne Abschluss verlassen, und von fast 200.000 Schulabgängern ohne ausreichende Kenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen bis 2010 zu halbieren. Das Duale System der Berufsausbildung muss wieder gestärkt statt durchlöchert werden. Erziehung, Bildung und Qualifizierung müssen zu einem Schwerpunktthema in Deutschland werden.
Ausdrücklich stimmt das Handwerk dem Bundespräsidenten zu, der am 21. Juli noch einmal explizit darauf hingewiesen hat, dass die nächste Bundesregierung einen neuen Anlauf für eine Föderalismusreform nehmen muss. Zu zukunftsfähigen Staatsstrukturen gehört auch der Abbau der gerade den Mittelstand weit über Gebühr belastenden Bürokratie.