Wer im Betrieb eines nahen Familienangehörigen sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist, muss unter Umständen damit rechnen, dass die Arbeitsverwaltung ihn als Unternehmer und nicht als Arbeitnehmer einstuft. Folge: Obwohl jahrelang Beiträge zur Sozialversicherung für das Familienmitglied eingezahlt wurden, gibt es im Falle einer Arbeitslosigkeit kein Geld von der Arbeitsagentur. Von den betroffenen Familienangehörigen wird dies nach oft jahrelanger Entrichtung von Beiträgen an die Arbeitsverwaltung als Vertrauensbruchtatbestand gewertet. Ein Teil der Beiträge kann sogar für immer verloren sein, da ein Anspruch auf Rückzahlung der Beiträge grundsätzlich nur für die letzten vier Kalenderjahre besteht.
Deshalb fordert das Handwerk seit langem, dass bei Mitarbeit von Familienangehörigen für den Betrieb und für die Familienangehörigen Rechtssicherheit herrschen muss, zumal die Zahl der Betroffenen auf Grund der vermehrten Betriebsinsolvenzen steigt.
Zwar konnte – auch unter Mitwirkung des ZDH – erreicht werden, dass für alle ab dem 01.01.2005 neu abgeschlossenen Arbeitsverhältnisse die Problematik durch eine automatische Statusprüfung bei Arbeitsaufnahme des mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartners nicht mehr auftritt. Jedoch sind mitarbeitende Kinder, Enkelkinder, Verwandte oder Verschwägerte des Arbeitgebers von dieser Prüfung nicht betroffen, so dass für diesen Personenkreis weiterhin Rechtsunsicherheit besteht. Darüber hinaus gilt das obligatorische Verfahren zur Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status nicht für im Betrieb mitarbeitende Familienangehörige, die vor dem 1.1.2005 ihre Mitarbeit im Familienbetrieb begonnen haben (= Altfälle).
Prüfungsmaßstab
Auf Grund der familiären Bindung der Beteiligten legen die Sozialversicherungsträger und die Sozialgerichte an den Nachweis für das Vorliegen der Voraussetzungen der Versicherungspflicht strenge Maßstäbe an. Ein Beschäftigungsverhältnis zwischen Angehörigen ist anzunehmen, wenn es ernsthaft und eindeutig gewollt und entsprechend vereinbart ist und auch tatsächlich vollzogen wird.
Stets ist eine Würdigung der Gesamtumstände erforderlich. Im Übrigen gilt der allgemeine Grundsatz der Sozialversicherung, dass sich das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in der Regel nach den tatsächlichen und nicht nach eventuellen schriftlichen Vereinbarungen beurteilt.
Ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zwischen Familienangehörigen liegt in der Regel dann vor, wenn...
· ...der Familienangehörige wie ein fremder Arbeitnehmer in den Betrieb eingegliedert ist, das heißt z. B.,
o dass der Arbeitgeber über Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung entscheidet.
o der Arbeitgeber gegenüber dem Familienangehörigen weisungs-berechtigt ist.
o der Familienangehörige während einer vorgegebenen Arbeitszeit und mit einem fest umrissenen Aufgabenkreis im Unternehmen arbeitet.
o ...die Sozialversicherungsbeiträge und die Lohnsteuer gezahlt und das Arbeitsentgelt als Betriebsausgabe gebucht wird.
· ...ein Arbeitsvertrag Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Arbeitszeit etc. regelt.
· ...der Familienangehörige anstelle einer fremden Arbeitskraft beschäftigt ist und eine der Arbeitsleistung und Qualifikation angemessene tarifliche oder ortsübliche Vergütung erhält, über die er frei und uneingeschränkt verfügen kann.
Wenn diese Voraussetzungen zutreffen, liegt grundsätzlich auch zwischen Familienangehörigen ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor.
Empfehlung
Die Höhe der Vergütung des Familienangehörigen sollte sich – wenn ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis gewollt ist – an einer Fremdarbeitskraft orientieren. Ein Entgelt, das den halben Tariflohn bzw. das halbe ortsübliche Arbeitsentgelt unterschreitet, stellt indes regelmäßig ein Indiz gegen die Annahme eines angemessenen Gegenwerts für die ausgeübte Tätigkeit dar. Ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ist damit jedoch nicht generell ausgeschlossen; vielmehr ist auch in diesen Fällen eine Würdigung der Gesamtumstände erforderlich (Urteil des BSG vom 17.12.2002 – B7AL 34/02 R -).
Ausnahmen
Es gibt Ausnahmen von der Regel. Je mehr der folgenden Merkmale vorliegen, desto wahrscheinlicher ist es, dass trotz regelmäßiger Beitragszahlungen und dem Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis besteht:
· Hat das Familienmitglied dem Unternehmen ein Darlehen gewährt oder gebürgt?
· Hat das Familienmitglied dem Unternehmen Grundstücke oder Anlagen zu einem günstigen Preis vermietet?
· Ist das Familienmitglied an dem Unternehmen beteiligt, besitzt es Gesellschafteranteile oder Prokura?
· Kann der Angehörige Entscheidungen im Unternehmen erheblich beeinflussen?
· Ist das Familienmitglied im Gegensatz zu den übrigen Mitarbeitern am Unternehmenserfolg beteiligt?
· Darf der Angehörige mit sich selbst Geschäfte abschließen (Selbstkontrahierung)?
· Wird dem Familienmitglied das Gehalt unregelmäßig gezahlt (nach Auftragslage)?
· Geht das Familienmitglied bezogen auf das Unternehmen hohe persönliche Risiken ein und genießt es Freiheiten, wie sie einem normalen Angestellten nicht gewährt werden?
Empfehlung
Wenn ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis gewollt ist, belegen Sie, dass Bürgschaften und Kredite ggf. nur geringfügig waren. Wer Eigentümer von Betriebsgrundstücken, Betriebsgebäuden und Betriebsanlagen, nicht aber Miteigentümer des Betriebs ist, kann im Betrieb angestellt sein. Nur wenn der Familienangehörigen den Gebrauch dieser Vermögensposition kostenlos oder verbilligt einräumt, gibt es Probleme.
Chancen
Sollte keine Sozialversicherungspflicht bestehen, können sich daraus auch Chancen ergeben. Eine Möglichkeit ist die Abkehr vom staatlichen Sozialversicherungssystem hin zu einer privaten Versicherung. Dabei ist Vieles zu beachten, wie z. B. der in der Regel in der gesetzlichen Rentenversicherung dann entfallende Schutz wegen Erwerbsunfähigkeit und der nicht mehr bestehende Anspruch auf "Riester-Rentenförderung". Weitere Nachteile etwa hinsichtlich des Krankenversicherungsschutzes können gegeben sein. Die rechtlichen und finanziellen Folgen beim Ausstieg aus der Sozialversicherung sollten mit einem ausgewiesenen Fachmann erörtert werden.
Sozialversicherungsstatus klären lassen!
Wenn Zweifel am sozialversicherungsrechtlichen Status auftreten, sollten diese unbedingt geklärt werden. Wer mit der Entscheidung des Sozialversicherungsträgers nicht einverstanden ist, kann schriftlich Widerspruch gegen den Bescheid einlegen. Die Widerspruchsfrist beträgt in der Regel vier Wochen. Nach erneuter Prüfung der Sachlage verschickt der Sozialversicherungsträger einen Widerspruchsbescheid. Wenn der Sozialversicherungsträger dem Begehren nicht nachkommt, kann Klage beim Sozialgericht eingereicht werden. Das zuständige Sozialgericht ergibt sich aus dem Widerspruchsbescheid.